Das Wort zum Sonntag #9

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Abwärts.
@ Johann Husser

Episoden eines Entzugs.

 

Die Übergabe der letzten Reste einer Beziehung hatte für mich immer etwas vom peinlichen Verhältnis zwischen Postmann und der Frau in der Tür, die gerade eben noch unter der Dusche gestanden hat. Blicke sind in solchen Situationen aufs Wesentliche reduziert, suchen alles mögliche, nur nicht den des anderen.

Als ich gerade gehen wollte, blieb mein Blick an ihrem grauen Sweater hängen. Sie fragte mich, ob ich ihn zurückhaben wolle.

 

Wieder draußen atmete ich ein bisschen Sonne ein und schaute noch einmal zu ihrem Fenster hoch. Eine junge Mutter mit Kinderwagen, der mein Rad am Gehsteig den Weg versperrte, riss mich aus meinen Gedanken. Ich klemmte mir mein Zeug unter den Arm und fuhr nach Hause. Als ich ihre Straße in Richtung Stadtpark verließ, wünschte ich mir, ich hätte ihren Kram nicht einfach so rausgerückt.

Somit waren endgültig alle Verstrebungen abmontiert worden, die uns noch irgendwie zusammengehalten hatten. Es gab keinen Anlass mehr, die Sphären des anderen zu tangieren. Wir waren wieder Fremde, die zufällig in der selben Stadt wohnten. Reset. Die ganzen Paare, die im Grün ihr parfümiertes Glück versprühten, konnten einem leid tun. Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann bestimmt.

Als ich mein Zimmer betrat, fiel mir als erstes auf, wie steril auf einmal alles aussah. Mich hatte immer genervt, dass sie ihre Kleidung immer dort liegen ließ, wo sie sie ausgezogen hatte und in allem ihre Zigaretten ausdrücken musste, was sich im Entferntesten dafür anbot. Jetzt kam mir der Raum irgendwie leblos vor.

Trotzdem löst sich die Vergangenheit nicht einfach in Luft auf. Egal, wie sehr ich mich anstrengte, mich abzulenken, irgendetwas weckte dann doch diffuse Erinnerungen und warf mich wieder zum Anfang zurück. Geliebte Menschen verschwinden, doch etwas scheint trotzdem zurückzubleiben. Ich wurde heimgesucht.

 

Die ersten Nächte plagten mich jene klebrigen Träume, die einem vorgaukelten, dass die Dinge im letzten Moment doch noch eine andere Wendung genommen hätten. Es dauerte nach dem Aufwachen ein paar Augenblicke, bis ich akzeptieren konnte, dass die Seite neben mir kühl war. Das meiste vergaß ich, doch der Grundriss der Träume blieb. Und er schien Sinn zu machen. Zumindest für mich. Am nächsten Morgen überzog ich das Bett neu und stopfte die Bettwäsche bei 90 Grad in die Waschmaschine.
Im Wäschekorb fand ich noch getragene Unterwäsche und ein Nachthemd, das ich ihr zu irgendeinem Anlass geschenkt hatte. Da ich nicht wusste, was ich sonst damit machen sollte, schmiss ich die Sachen in den Müll. Unter der Dusche stand ich knöcheltief in Selbstmitleid, weil ihre Haare immer noch den Abfluss verstopft hielten. Obwohl ich sie immer davon abhalten wollte, hatte ich wieder mit dem Rauchen begonnen. Irgendwie redete ich mir ein, dass in diesen acht Zentimetern alles wieder in Ordnung war.

Gras führt prinzipiell dazu, dass man sich in sinnlosen Gedanken verheddert, aus denen man eine gefühlte Ewigkeit nicht herausfindet.


Mit meinen Freunden über Trennungen zu sprechen hatte ich längst aufgegeben. Irgendwann habe ich bemerkt, dass ich mich nur noch wiederholte und die Gespräche in jene Richtung lenkte, die für mich das erträglichste Ende nahmen. Ich fühlte mich wie eine Schallplatte, die sich endlos um den selben Kratzer drehte, den eine Handvoll Worte verursacht hatten.

Was war es nun, das mich den Entzug so stechend empfinden ließ?


Einer meine Freunde erzählte mir, nur wenn man das Mädchen nach dem Masturbieren immer noch vermisse, bedeute sie einem wirklich etwas. Erst wenn die Libido clean sei, könne man sich sicher sein, dass man Grund zum Trauern habe.


Alles klar, dachte ich mir und legte los.