Trendwatch: Samt

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Von samtenen Träumen und Kindheitserinnerungen.
Fotos via style.com

Samt. Der Stoff, aus dem die Träume sind. Obwohl, so einfach kann man das gar nicht festmachen. Ganz so einfach gestrickt ist meine persönliche Beziehung zum Stoff mit der komisch-flauschigen Oberfläche nämlich doch nicht. Es ist bereits einige Saisons länger her, da Samt aus der völligen Versenkung wieder auf der modischen Bildfläche erschien und ein erstes Mal mein Denken über den Haufen warf. Samt. Ein Material, in das ich mich das letzte Mal als Fünfjährige gekleidet habe, das ich über alles geliebt habe, dann aber irgendwann liebend gern für immer abgelegt habe. Ab einem bestimmten Alter musste man sich nicht mehr kuschlig und süß anfassen, sondern man ging zur Schule. Die Lebenszeit, in der Coolness bald zum Non-Plus-Ultra wurde, begann. Mit Samt ein Ding der Unmöglichkeit. 

 

Samt spaltet die Gesellschaft. Die einen lieben ihn - ich rede da jetzt nicht nur von mit Pastasauce vollgeschmierten Kleinkindern oder betagteren Damen - und die anderen hassen ihn. Vor allem Modemädchen entdecken den Stoff in Leggins oder Oberteilen wieder für sich. Immerhin hat es ja doch nichts Schlechtes, sich an die Tage voller kindlicher Naivität und Unbeschwertheit zurückzuerinnern und sich selbst ganz weich zu kleiden. Männer hingegen sehen sich von dem kindlichen Selbst der Frau konfrontiert, das nur noch wenig mit Attraktivität oder Sexyness zu tun hat. Dürfen sie den Stoff dann aber mal "anfassen", ist oftmals auch ihre Meinung geändert. 

 

Fotos: Olivia Emily. La coquette de la mode. Une maison de la mode. Fashionvibe

 

So weit, so gut. Vor ein oder zwei Jahren waren Kleidungsstücke aus Samt dann wieder auf den Kleiderstangen der Modehäuser zu entdecken. Da ich zu diesem Zeitpunkt bei Samt immer noch an die Zeiten von Knetmasse und Schnabeltassen, an den Kindergarten-Look mit zu kurzem Samtpullover, Wollstrumpfhose und Hausschuhen denken musste, stand ich dem Ganzen recht skeptisch gegenüber. Warum sollte ich den Stoff der Kleinkinder als gestandenes Mädchen mit einer Menge Erfahrung und Abschluss in der Tasche wieder tragen? Warum sollte das überhaupt irgendjemand tun? Schon damals merkte ich recht schnell, dass es genug Mädels gab, die das taten. Und hey, so uncool sah das gar nicht aus. Trotzdem entschloss ich für mich: die Haptik des Stoffes mochte ich, tragen wollte ich es aber trotzdem nicht. Damit war die Sache für mich abgeschlossen. Wenn auch aus dem natürlichen Lauf der Dinge heraus, weil Samt damals relativ schnell wieder verschwunden war. 

 

Schaut man sich heute erneut in den Online-Shops und Geschäften um, dann muss man zugeben: Samt, da bist du wieder! Wo warst du nur so lang, warum warst du überhaupt weg und was machst du hier eigentlich? Mit der ersten, samtenen Berührung in diesen Tagen war meine Meinung unverändert: Fässt sich nett an, muss ich aber nicht tragen. Jäh erschüttert wurde diese Haltung, als der Samt loszog, um meinen Freundeskreis zu erobern. Da sah ich ihn das erste Mal in Form einer schwarzen Leggings an den langen Beinen einer Freundin, fuhr mit der Hand darüber, gab mich dem angenehmen Gefühl auf meiner Hand hin und schon war es geschehen, ich war verliebt. Gerade jetzt in der kalten Zeit möchte ich nur noch mollig samtene Kleidungsstücke tragen und ihn vorerst nicht wieder missen. Doch wie traut man sich an eine Materie, die man seit mehr als 15 Jahren gemieden hat? Langsam und überlegt natürlich. Deswegen taste ich mich vorerst mit ein Paar schwarzen Samthandschuhen mit Schmucksteinen und einer dunkelblauen, riesigen Samtschleife heran. Für diejenigen, die bereits etwas mutiger sind, gibt es den Komplettlook beispielsweise bei MONKI oder American Apparel.