Preis der Nationalgalerie f. junge Kunst

lola
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Sehenswert.
Fotos: David von Becker

Ein Besuch, der sich in Berlin bekanntermaßen immer lohnt, ist der Hamburger Bahnhof nahe des Hauptbahnhofs. Das Mueseum für Gegenwart beherbergt auf ca. 13.000 qm wechselnde Ausstellungen moderner Künstler, zuletzt die gelobte Ausstellung "Martin Kippenberger: sehr gut | very good" und die sogenannte "Berliner Weltverbesserungsmaschine" von Friedrich von Borries. Wer allerdings nur ein paar Stunden Zeit hat und sich deswegen nicht auf eine Spurensuche in Berlin begeben kann, so wie es letztere Installation bzw. Happening verlangt, der sollte sich zumindest den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst zu Gemüte führen. Der Preis wird im Herbst eines jeden Jahres vergeben und widmet sich vor allem jenen in Deutschland lebenden Künstlern jeder Nationalität, die sich in der Kunstszene viel Anerkennung erarbeitet haben, einem größeren Publikum allerdings noch weitgehend unbekannt sind. Dadurch wird auf neue, innovative Konzepte und Denkweisen der Kunst aufmerksam gemacht. Andererseits werden damit junge Künstler ausgezeichnet, die der Kunst mit ihren eindrücklichen Werken neue Perspektiven aufgezeigt haben. 

 

Dieses Jahr sind folgende vier Künstlerinnen und Künstler nominiert, deren Werke im Hamburger Bahnhof ausgestellt werden: die Mexikanerin Mariana Castillo Deball, der Neuseeländer Simon Denny, die Zypriotin Haris Epaminonda und die Deutsche Kerstin Brätsch. Alle präsentieren ihre Arbeiten in einem eigenen Raum, den sie ganz unterschiedlich genutzt haben. Simon Denny beispielsweise greift in seiner Raum-Installation die Sprache und Ästhetik der "Digital-Life-Design-Conference" (DLD) auf, die 2012 in München stattfand und Jahr für Jahr als eine Art Forum für den Austausch digitaler Zukunfstsfragen zwischen den Vertretern einflussreicher IT- und Medienunternehmen fungiert. Denny beschäftigte sich mit der kreativen Aufarbeitung der Konferenz zum Thema "All You Need Is... Data?" und stellt auf seinen Leinwänden, die an beleuchtete Außenwerbeplakate erinnern und sich der Ästhetik moderner Marketingkommunikation bedienen, einzelne Statements der Teilnehmer gegenüber und erreicht damit schlussendlich eine chronologische Dokumentation der Veranstaltung. Aber auch Kerstin Brätsch und Mariana Castillo Deball prästentieren beeindruckende, individuelle Arbeiten in überraschender Umsetzung.

 

Simon Denny.

 

Kerstin Brätsch.

 

Mariana Castillo Deball.

 

Mich selbst hat allerdings Haris Epaminonda am meisten überzeugt und begeistert. Die Künstlerin arbeitet in ihrer Videoinstallation Chapters (2013) mit der Technik der Collage. In dem insgesamt 4 Stunden langen Super8-Film, der 2012 in Zypern entstand, erzählt sie auf vier verschiedenen Leinwänden eine Liebesgeschichte, die sich als solche erst auf den zweiten Blick entpuppt. Die vier Kanäle stehen sich gegenüber, werden in Dauerloop abgespielt und zeigen dabei jeder völlig verschiedene Bilder und Sequenzen, die parallel abgespielt doch zueinander gehören und ein großes Ganzes ergeben. Dem Zuschauer ist es selbst überlassen, was er wann sieht. Eine lineare Handlung gibt es nicht. Stattdessen wird mithilfe von brachliegenden Steppenlandschaften, Tempelruinen, minimalistischen und statischen Innenräumen eine ganz besondere, verwunschene Stimmung geschaffen, die durch rituelle Handlungen, Tierszenen, Stillleben, östlich-asiatische Gewänder und die treibenden Klänge von historischen & modernen Instrumenten und O-Tönen vom Dreh noch zusätzlich spiritualisiert wird. Dem Zuschauer eröffnet sich ein ganz eigener Kosmos, der fernab von Raum und Zeit zu existieren scheint und eigenen Gesetzen folgt. Ich persönlich habe die verschiedenen Sequenzen sicher gute 40 Minuten lang angesehen, weil ich mich schlichtweg nicht von den Traumbildern losreißen konnte.

 

Das Gute an allem? Man kann noch bis morgen für seine/n Favoritin/en voten!

 

 

 

Haris Epaminonda.

 

Dem Preisträger eröffnet sich eine bis dato wahrscheinlich ungeahnte Chance: eine Einzelausstellung im kommenden Jahr in einem der Häuser der Nationalgalerie. Wichtig für die Entscheidung der fünfköpfigen Jury ist dabei nicht nur die gezeigte Ausstellung, sondern vor allem auch das Gesamtwerk des Künstlers. Alle zwei Jahre hat zusätzlich auch das Publikum die Möglichkeit mitzuentscheiden - und dieses Jahr ist es wieder soweit. Noch bis zum 18. September könnt ihr im Hamburger Bahnhof vorbeischauen und eure Stimme für euren Favoriten abgeben. Oder aber ihr schaut online HIER vorbei und votet direkt dort. Der Gewinner wird dann am 19. September bekannt gegeben. Danach könnt ihr die Werke noch bis zum 12. Januar 2014 bewundern oder aber einfach zur Berlin Art Week, welche heute beginnt und bis zum 22. September dauert, einen Abstecher zur Ausstellung machen. 

 

Preis der Nationalgalerie für junge Kunst 2013

30. August 2013 - 12. Januar 2014

Hamburger Bahnhof

Öffnungszeiten:
Mo geschlossen
Di + Mi, Fr 10:00 Uhr - 18:00 Uhr
Do 10:00 Uhr - 20:00 Uhr
Sa + So 11:00 Uhr - 18:00 Uhr

 

    AUTHOR:
    LOLA

    Modemädchen durch und durch.

    Minimal Chic und New Sports ist ihr Metier, über Normcore und andere Phänomene der Mode kann sie nickend Romane erzählen und trotz Totalausfall beim Anblick der neuesten Laufstegbilder und Lookbooks ist die Dame nicht auf das Köpfchen gefallen. Lola liebt Kopenhagen und Kafka, hat eine Schwäche für Männermode und Musikhits, ist aber auch für Kunst und Kitsch zu haben.