Krempel der Woche: Statement-Shirts

laura
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الفياجرا
gossip
Das Textile ist die Botschaft.

Vergangene Woche spaltete ein T-shirt die modische Onlinewelt. Der Urheber American Apparel. Das Motiv: eine menstruierende Vagina. Nein, nicht verlesen. Da steht tatsächlich, das, was ihr glaubt, gelesen zu haben. Das US-Label, das per se gerne einmal zu Provokation neigt, hat sich dieses Mal also dazu entschlossen, die Illustration von Petra Collins auf Textil zu bannen. Nur zu gern erinnere ich an mich an vorangegangene, aufmerksamkeitsträchige T-shirt Prints wie etwa der berühmte „Legalize Gay“-Slogan, der so manchen prüden Amerikaner beinahe völlig aus dem Konzept brachte oder die umstrittene Werbekampgane mit Teenie-Models in eindeutig lasziven Posen.


Wie dem auch sei: Prompt forcierten sich in bester Feuchtgebiete-Manier zwei Lager, die entweder ihre faszinierte Begeisterung äußerten oder aber sich vor Abstoßung und Ekel über das Stückchen Stoff gehörig echauffierten. Ja, sogar ganze Diskurse wurden im Handumdrehen zu dem Thema aufgemacht: Ist das Bild einer menstruierenden Vagina womöglich als Schritt weiblicher Emanzipation und damit aus feministischer Perspektive als äußerst fortschrittlich zu betrachten? Schließlich stört sich im Umkehrschluss auch keiner an der medialen Omnipräsenz von Penissen? Zeigen wir mit dem Ekel über die weibliche Monatsblutung und die ausgeprägte Körperbehaarung am Ende vielleicht sogar unser gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper? Geht besagtes Motiv also sogar bewusst gegen die, unsere westliche Gesellschaft beherrschende, Oberflächenästhetik des Reinen und Schönen an? Oder ist in der vermeintlichen Provokation letztendlich nichts anderes zu sehen, als ein geschickter Marketingzug, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? An dieser Stelle sei einmal auf den Artikel der lieben Nike und die dazugehörige Flut an Kommentaren auf This is Jane Wayne verwiesen.


Ich will an dieser Stelle gar nicht erst versuchen auf all diese Themen einzugehen. Man könnte darüber wohl auch endlos debattieren. Grundsätzlich stellt sich aber doch zunächst auch eigentlich erst einmal eine ganz andere Frage: Was reizt uns an den Statements auf der Brust oder eben auch nicht? Und warum vermag es ein kleines Bild oder eben eine Kombination aus Worten ein solches Lauffeuer zu entfachen? Fakt ist doch, wer sich für dieses oder jenes Motiv entscheidet, tut damit gleichzeitig jedes Mal auch ein Stück weit die eigene Einstellung kund. Ob nun bewusst oder unbewusst. Und selbst wenn wir ein Shirt, einen Sweater oder irgendetwas dergleichen zunächst einmal nur aufgrund eines aktuellen Trends tragen, sagen wir damit mehr über uns aus, als uns vielleicht lieb ist. Dabei ist es völlig egal, ob es sich bei dem textilen Statement um Comicfiguren, Slogans, Labels oder eben provokante Körperinszenierungen handelt: „Du bist, was du trägst“, lautet die Botschaft nach außen und das soziale Wesen an sich springt nun einmal auch gerne direkt auf die Oberfläche an. Nicht anders verhält es sich im Übrigen mit der Abkehr von bestimmten Motiven. Denn auch ein bewusstes (oder unbewusstes) „Nein“ manövriert uns mit einem Schlag in ein bestimmtes Lager.


Doch sollte man mit vorschnellen Charakterverallgemeinerungen in jedem Fall vorsichtig sein. Nur weil unser Gegenüber uns stolz das Wood Wood Logo, den OBEY Slogan oder den YSL-Schnörkel entgegenstreckt, ist er oder sie damit nicht automatisch ein markengeiles Opfer. Und nur weil ein Typ eine halbnackte, sich lasziv-räkelnde Frau auf dem Shirt trägt, ist er noch lange kein libidinöser Hengst. Vielleicht ist er einfach nur dumm. Au weia, und schon bin ich selbst in die Falle mit den Vorurteilen getappt. Sind wir also einmal ehrlich: Von diesem Denken kann sich wohl keiner so wirklich frei machen. Wir brauchen nun einmal leider Schubladen, um unser soziales Umfeld einzuordnen. Letzten Endes ist das nichts anderes als der Versuch, uns in der Welt zu orientieren. Und wer seiner Kleidung noch einen netten Spruch oder ein hübsches Bild/Logo beimischt, der gibt uns sozusagen eine praktische Zusatzhilfe an die Hand. Geschmäcker sind nun einmal verschieden und auch wenn sich darüber prinzipiell nicht streiten lassen sollte, liegt es wohl nun einmal in unserer Natur uns gerne über das zu irritieren und echauffieren, was uns anders erscheint. Manchmal sollten wir uns aber auch ruhig die Mühe machen, die Geschichte hinter einem Motiv zu erkennen. Denn Joy Division oder Nirvana sind nicht nur hübsch anzusehende Jungs, sondern Musiker, die ganze Generationen verändert haben. Che Guevara ist nicht nur ein ein cooler Typ mit Kappe, sondern ein Revolutionär, der sein Heimatland Cuba befreien wollte. Und selbst ein paar angedeutete Brüste, in Form schwarzer Linien, stehen manchmal für mehr, als sie auf den ersten Blick verraten. Oder hättet ihr gedacht, dass sie symbolisch für den Kampf gegen Brustkrebs stehen?


Es ist prinzipiell also nicht falsch der Sache auf dem Shirt erst einmal eine Chance zu geben, ehe man sie gleich verurteilt. Und wenn schon streiten, dann wenigstens mit guten Argumenten, statt leeren Worthülsen. Sonst tut man wohl besser daran, einfach wegzusehen und sich seinen Teil zu denken.

    AUTHOR:
    LAURA SODANO

    Lebe lieber ungewöhnlich.

    Mode. (Pop-)Kultur. Feminismus. Das ist Laura. Was für die einen nach Schizophrenie par Exellence klingen mag, ist für sie selbstverständlich. Die Dame, die mindestens so gerne und schnell redet, wie sie denkt, sprudelt nur so vor kreativem Kopfchaos, von dem ihr Umfeld selten verschont bleibt. Sprache ist ihr Medium. Das nuancierte Spiel mit pointierter Artikulation ihre Waffe. Schokolade ihr Laster. Bei Mode und Literatur setzt ihr Verstand nur zu gerne aus.