Krempel der Woche: Bunte Haare

laura
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Nieder mit den Konventionen?
& other Stories, Wildfox Couture

Kristin Stuart hat es getan. Nicole Richie auch. Kelly Osbourne kennt man praktisch gar nicht mehr ohne und Katy Perry oder Nicki Minaj tun es sowieso ständig. Die Rede ist von bunten Haaren, vorzugsweise solchen in pastelligen Nuancen. Doch es ist schon so eine Sache mit der Farbe auf dem Haupt. Von den Pro und Contras kann wahrscheinlich jede Frau ein Liedchen trällern, ebenso von den vielen Missgeschicken, die bei der ganzen Sache passieren können. Ich selbst habe auch schon so manches Haarexperiment hinter mir und mich munter einmal quer durch die bunte Palette der Colorationstöne gefärbt. Doch von allen Nuancen, die über Braun, Blond und Rot hinausgehen, habe ich bisher brav die Finger gelassen. Schließlich genügen auch jene Unfälle mit den diversen Abstufungen natürlicher Töne, um Frau in eine Sinnkrise zu stürzen. Oder anders ausgedrückt: Meine unfreiwilligen Ausflüge in die Welt von Asche und Aubergine haben mich gelehrt, dass kreative Frisurideen meistens nur so lange spannend sind und Spaß machen, bis man sie wirklich durchzieht. Trotzdem, so glücklich ich mit meinem aktuellen Haarton, einem herrlich leuchtenden Rotblond bin, in regelmäßigen Abständen klopft dann doch der vage Wunsch nach zartem Flieder, hellem Rosa oder violettem Grau an die Tür. 

 

Und wieso eigentlich auch nicht? Leichter als im Moment war der Schritt zu buntem Haar wohl noch nie. Aktuelle Trends geben uns nur zu gerne vor, dass all diese Nuancen inzwischen den Standard auf dem Kopf darstellen und von Tönung bis Haarkreide sind die Möglichkeiten für einen kurzzeitigen Ausflug in die Welt von Pastellrosa und Co. groß. Hält ja alles schließlich alles auch nur maximal ein paar Haarwäschen, oder? Die Realität sieht dagegen aber leider doch noch immer etwas anders aus. Denn jenseits von Popstardasein und Studentenleben stellt sich für diejenigen, die mit beiden Beinen fest in einem Bürojob oder ähnlichem stehen, schnell die Frage, inwieweit auch das zeitlich begrenzte Pastell auf dem Kopf noch zur eigenen Persönlichkeitsentfaltung gehört oder zum Streitpunkt mit dem Chef werden kann. Denn mal ehrlich: Bei aller vermeintlicher Liberalität bewegen wir uns doch noch immer in einer Welt, die sich dogmatisch an bestimmte Konventionen klammert. Freiheit ja, doch bitte aber nur soweit, dass sie andere nicht irritiert, stört oder sich gegen ein bestimmtes Bild von Normalität wendet. Was unseren standardisierten Werten nicht entspricht, das wird verurteilt, wobei sich das Andere, das "Abnormale", je nach Kultur bzw. sozialem Milieu unterschiedlich gestalten kann. Der Grat zwischen Inklusion und Exklusion ist dementsprechend nicht selten ein sehr schmaler. Sicher, ich übertreibe an dieser Stelle. Schließlich sprechen wir hier "nur" von Haarfarben. Doch das ganze Prinzip lässt sich nur zu einfach auch auf andere — essentiellere — Dinge übertragen. Und schon stehen wir vor dem Problem, dass Menschen wegen ihrer Sexualität oder politischen Überzeugung angegriffen werden.

 

 

Nur, was Bitteschön ist überhaupt die "Norm"? Defacto verkörpert “Normalität” doch nichts anderes als den kleinsten gemeinsamen Nenner aus der großen Summe an Verhaltensweisen. Sozusagen einen Durchschnittswert, an dem wir uns zugunstesn unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens orientieren. Doch wer will heutzutage schon Durchschnitt sein? Schließlich leben wir doch in einer Gesellschaft aus Individualisten getragen von der kapitalistischen Blase, die uns glauben macht, unsere eigene Originalität ließe sich durch Produkte und, ja, Haarfarben erwerben. Wir wollen einzigartig sein. Bewundert werden. Gleichzeitig wollen wir die eigene Expressivität nur soweit forcieren, dass andere uns noch immer akzeptieren und liebhaben. Das ist die Krux an der ganzen Sache. Denn bei all dem stellen wir uns nur zu gerne selbst zur Schau, werfen uns auf den Markt der Eitelkeiten und glauben tatsächlich jener Uniformität entkommen zu können, in der wir stattdessen bis zum Halse stecken. Der Schritt zum bunten Haar wird dann zu einer Art Befreiung, eine revolutionäre Handlung, die uns aus der Masse empor hebt. Dass die meisten von uns das Ganze aber eigentlich nur deshalb mit einem Mal tatsächlich durchziehen, weil andere zuvor bereits den Schritt gewagt und ihn gewisserweise salonfähig gemacht haben, das ignorieren wir dezent. Aber indem wir nun wild motivert dem aktuellen Trend folgen, verhalten wir uns am Ende doch eigentlich nicht anders als der Hund, der versucht sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Anders sein ohne dabei wirklich "anders zu sein". So reihen wir uns am Ende doch wieder brav in die soziale Masse ein. Und ehe wir uns dessen bewusst werden, ist die Tönung auch schon wieder verblasst. Bleibt letzten Endes auf die zu hoffen, die tatsächlich Farbe bekennen. Damit die Welt mitsamt ihren stehenden Kategorien von Zeit zu Zeit wenigstens ein bisschen ins Wanken gerät. Denn jeder Trend hat oft eben doch einen überzeugten Vorreiter.

 

    AUTHOR:
    LAURA SODANO

    Lebe lieber ungewöhnlich.

    Mode. (Pop-)Kultur. Feminismus. Was für die einen nach Schizophrenie par Exellence klingen mag, ist für sie selbstverständlich. Die Dame, die mindestens so gerne und schnell redet, wie sie denkt, sprudelt nur so vor kreativem Kopfchaos, von dem ihr Umfeld selten verschont bleibt. Sprache ist ihr Medium. Das nuancierte Spiel mit pointierter Artikulation ihre Waffe. Schokolade ihr Laster. Bei Mode und Literatur setzt ihr Verstand nur zu gerne aus.